
Wie der Samen das Potenzial des Baumes in sich trägt, so sind wir Menschen ebenfalls ein Potenzial, das zum Leben erweckt werden will. Alles was der Mensch werden kann, steckt in jedem von uns. Und so wird der eine dies, der andere das.
Dieses Potenzial wird durch äußere Begebenheiten beeinflusst, denn wir sind nun mal verbunden mit unserer Umwelt. Ohne sie, könnten wir uns selbst nicht wahrnehmen. Das Verhängnis der zwischenmenschlichen Beziehungen liegt eben darin, dass wir dieses Potenzial zur Erfüllung vieler äußeren Erwartungen nutzen. „Und der Mensch schuff den Menschen zu seinem Bilde“. Wenn Menschen aufeinander projizieren, zwingen sie ihren Nächsten zu etwas, das sie kontrolieren können oder in sich selbst nicht ertragen. Und so erstickt die Individualität eines jeden in Keim.
Äußere Grenzen können gesetzt werden bis sie zu unseren inneren Grenzen werden und wir uns selbst einschränken. Deshalb bauen so viele Männer Muskel auf, weil sie so „eingeschrankt“ sind… in ihrer Wahrnehmung. Es ist aber keine Fatalität und wir sind nicht dazu verdammt, in den Schranken zurückgewiesen zu sein. Davon können wir uns befreien, indem wir lernen uns nicht mehr darum zu kümmern, womit wir nichts zu tun haben, uns nicht mehr zu sorgen, was andere von uns denken und erwarten. Das alles bereitet uns Kummer und Sorgen.
Es bedeutet nicht, andere nicht zu beachten. Ihre Meinung darf uns weiter interessieren, sie bleibt aber ihre und wer zu sich steht, fürchtet sie auch nicht. Ihre Bedürfnisse sind legitim, werden aber nicht zu unseren Verpflichtungen. Es geht darum, auf sich selbst zu achten, die eigene Integrität zu bewahren, und das macht uns oft nicht liebenswert in den Augen der anderen. Doch das hat allein mit ihnen zu tun, darum brauchen wir uns nicht „kummern“.
Damit machen wir uns natürlich keine „Freunde“, eher Feinde. Ist es aber nicht erstrebenswert sich von denjinigen zu lösen, die uns in unserer Entwicklung einschränken? Sollte das Raubtier das Gehege nicht verlassen, in dem es gefüttert wird? Es braucht Mut, Selbst-verständigt. Dafür wird das Tier lernen müssen selbstständig zu jagen. Dafür müssen wir lernen Selbst zu sein. Aber dann entsprechen wir unserer wahren Natur. Aber dann, wird unserem Potenzial keine Grenzen mehr gesetzt.
Es geht also nicht darum, ein anderer zu sein, sondern viel mehr den einen nicht mehr zu sein, den wir denken, anderen vorspielen zu müssen. Und wir identifizieren uns nicht mehr mit und definieren uns nicht mehr durch die Rolle, sondern wir prägen die Rolle mit unserer ganzen Individualität. Diesen Prozess nannte Jung die „Individuation“.